Donnerstag, 22. Mai 2014

Prens Adaları`ya vapor ile

Keine Autos auf den Straßen, ein schönes Villengrundstück reiht sich ans nächste, Pferdekutschen bringen einen von A nach B und mit dem Rad lässt es sich gemütlich durchs Grüne radeln – und „Grün“ darf man hier sogar wortwörtlich nehmen:

Das alles ist auch Istanbul.


Die Prinzeninseln –  eine Oase fernab der lauten Millionenstadt. Im Marmarameer gelegen und nur wenige Kilometer vom Festland entfernt reihen sich neben einigen kleineren Inseln die Kınalıada, Burgazada, Heybeliada,  Sıdıf Adası und die Büyükada aneinander.  Vom Stadtufer lässt sich die Inselgruppe zwar mit Leichtigkeit erspähen, dennoch braucht es mit der Fähre rund 50 Minuten, um die erste Insel zu erreichen. Ein ganzes Stück also, aber alleine die Fahrt ist ein Ausflug wert.

Geht es auf der Fähre im Frühjahr noch ruhig und gelassen zu, findet man sich zur Hochsaison auf einem vollbesetzten Ausflugsdampfer wieder. Mit dem andächtigen Betrachten der Wellen und füttern der Möwen bei Çay und viel Ruhe ist es dann vorbei, gerade an einem Gut-Wetter-Sonntag. Neben den vielen Touristen haben sich auch türkische Familien herausgeputzt, um auf den Inseln ein wenig Urlaub in ihren Alltag zu bringen.  Die Sitzplätze sind rar und so wird gesessen wo Platz ist, sodass man sich letztlich auf dem Boden des Fährendecks wiederfindet, umringt von Menschen, die Süßkram schnabulieren, singen und kichern, Selfies machen oder aber sich vom Bord-Seller unfassbar unnötige Dinge andrehen lassen. High-Tech-Gemüseschäler, Mini-Obstsaftpressen oder aber einen Gehstock, der auch als Skistock dienen kann – alles findet hier seinen Besitzer. Und dazwischen balanciert immer wieder ein Çay- oder Simitverkäufer durch die Reihen – letzterer nicht selten mit einem ein Meter hohen Simitberg auf dem Tablett. Das alles und man selbst mittendrin im rauschenden Treiben – herrlich. Ein bisschen wie Klassenfahrt.


Auf den Inseln angekommen, erwartet einen so einiges, was sich auf dem Festland nicht so einfach finden lässt. Gerade außerhalb der Hochsaison sind das zwei Dinge, die den besonderen Reiz ausmachen: die Ruhe und der viele Platz. Schöne Holzhäuser säumen hier die langen Straßenzüge, Wald und Wiesenfläche gibt es zur Genüge, außerdem Fischer, die gemächlich an ihren Booten arbeiten, Netze flicken und dabei Çay trinken und natürlich die vielen Pferdekutschen, die lautes Autohupen durch Pferdegetrappel ersetzen. Außerdem kann man sich Fahrräder ausleihen, die Büyükada in 1 ½ Stunden umrunden und sich dabei den Fahrtwind ins Gesicht pusten lassen – ein ganz besonderes Highlight nach langer Abstinenz. Für alle, die nicht im Bilde sind: In Istanbul ist es, von Kadıköy und einigen Hartgesottenen mal abgesehen, schier unmöglich, mit dem Rad im Straßenverkehr zu überleben. Und dann gibt es natürlich noch das Essen: Überall wird Balık oder Köfte Ekmek angeboten und wer selbst ein Barbecue machen möchte, für den steht zum Grillen der Mangal bereit. Die Prens Adaları bieten ein bisschen Urlaubsstimmung für alle Stadtmüden – auch wenn zur Hochsaison von Ruhe kaum die Rede sein kann; Istanbul City lässt man eben nur halb auf dem Festland zurück.




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vapor= Dampfer
simit = ringförmiges Hefeteiggebäck mit Sesam-Körnern
mangal = Kohlenbecken, Grill
balık-/ köfte ekmek = Fisch-/ Köftebrötchen

Freitag, 2. Mai 2014

Üç aydır Istanbul`dayım – Halbzeit!

Halbzeit.

Seit drei Monaten bin ich nun in Istanbul. Ist die Zeit bisher vorangeschritten, beginnt sie sich von nun an rasend schnell gen Ende zu neigen. Jetzt heißt es nicht mehr „schon“ drei Monate, jetzt heißt es „nur noch“. Den bitteren Nachgeschmack, den des baldigen Lebewohls, muss man aber nicht aufkommen lassen. Die erste Hälfte meines Aufenthaltes ist geschmückt von neuen Eindrücken und Erfahrungen – und wer jetzt denkt, der Alltag würde dem aufregenden Leben hier den Wind aus den Segeln nehmen, der täuscht sich.

Alltag in Istanbul – ein Résumé

In Istanbul kein Gewicht zuzulegen – das schafft man meines Erachtens nur mit Disziplin, Sport und essunfreudigen Weggefährten. Natürlich ist letzteres immer eine Typ-Frage, aber festzuhalten ist dennoch: Essen ist hier wichtig. Mezeler, ana yemekleri, tatlı – und nicht zu vergessen die unzähligen  Streetfood Optionen. Köstlich! Geld muss man auch keines ausgeben. Sicherlich würde man hier ohne einen Penny überleben, denn die Türken „füttern“ gerne. Ob beim Gemüsehändler, im Kiosk des Sprachzentrums oder die türkischen Kommilitonen: Jeder gibt was aus und das gerne „zu Fuß“, also mit der eigenen Hand in den fremden Schlund. Alles soll probiert werden, denn auf die türkische Küche ist man hier sehr stolz und das zu Recht.

Es dauert drei Monate und braucht fünf Kilo mehr auf den Hüften, dann ist es soweit. Eine sportliche Betätigung muss her. Es geht ins Fitnessstudio – in zwei verschiedene und vergleicht man beide, prallen Welten aufeinander. Fitnessstudio Nummer Eins ist das Studio meines Mitbewohners und raubt einem zunächst den Atem: Überall stehen Wasserspender, es gibt eine Bar, diverse Kurse, einen Pool, Sauna, Rainshower-Duschen, Parfum und natürlich sind überall Fernseher, sogar in den Toilettenkabinen. Fitnessstudio Nummer Zwei ist nicht einmal halb so schick. Vielmehr ähnelt es eher einer „Mucki-Bude“, in der Schweiß und laute R`n`B Musik in der Luft liegen und Bodybuilder von der Wand lächeln. Stundenlang werden wir hier von zwei bemühten Trainern durch die Gegend gehetzt. Scheinbar sind wir zu ihrem kleinen Projekt geworden, denn neben dem Training werden wir auch gleich auf Diät gesetzt: Şeker yok, tatli yok.








Auch ansonsten wird der Alltag hier von aberwitzigen Momenten geschmückt: Der Bier-Kauf kann zumeist zu einer langwierigen Suche ausarten, je nachdem wie konservativ die Gegend oder Stadt ist, in der man sich aufhält. Selbst in Istanbul wird in großen Ketten ab 22 Uhr kein Alkohol mehr verkauft – da kann das zweite Bier es auch mal nicht über den Kassenscanner schaffen. Beim kuaför gleicht der Schneideprozess einem Sitz auf dem heißen Stuhl: Nachdem meine Mitbewohnerin und ich 15 Minuten am Empfang auf Beachtung warten, bis wir schließlich den schlafenden Mitarbeiter hinter der Theke bemerken, verläuft der Friseurbesuch soweit routiniert. Aber dank der Sprachbarriere darf man bis zum Schluss bangen, ob die Schere nicht doch noch zu hoch angesetzt wird. Sogar zur Maniküre und Pediküre verschlägt es mich und im Beautysalon arbeiten ausschließlich dickbäuchige Männer, die nur das Fußballspiel im Auge haben und derweil die Damen für die Partynacht aufhübschen.

Und dann wären da natürlich noch die Uni und der Sprachkurs. Neben inhaltlichen und fachlichen Kenntnissen darf man hier auch mehrere Stunden Cultural Studies genießen. Alleine in meinem Sprachkurs herrscht ein buntes Miteinander, in der man bei Zeiten auch meinen könnte, es würde sich um einen Arabisch-Kurs für Fortgeschrittene handeln. Neben drei Deutschen sitzen hier Menschen aus der Mongolei, Syrien, Ägypten, Libanon, China, Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Viele Nationen, die auch Gehör finden (wollen): Von der arabischsprachigen Front kommt ein ständiges Geschnatter und gerne auch kommentierende Einwürfe à la „Oh this turkish vocabulary is same in arabic.“ – und das im Zehn-Minuten-Intervall. Addiert man dazu noch das ständige Handyklingeln und die zwischenzeitlichen Telefonate in diversen Sprachen, entfernt sich der Geräuschpegel der komfortablen Zimmer-Norm. Und dann hört man natürlich noch unsere Lehrerin sprechen – fast ausschließlich in Türkisch und das ab dem ersten Tag. In diesem Sinne: Kolay gelsin.

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mezeler =  Vorspeisen/ ana yemekleri = Hauptspeise/ tatlı = Nachtisch, Süßspeise
şeker yok, tatli yok. = Zucker gibt`s nicht. Süßes gibt`s nicht.
kuaför = Damenfriseur
kolay gelsin = Frohes Schaffen!