Mittwoch, 23. Juli 2014

Ein Auslandssemester in Istanbul – bitti.

Ein halbes Jahr, genauer gesagt ganze sechs Monate, enden nach dem heutigen Tag. Morgen um diese Zeit heißt es Abreisen und Auf Wiedersehen Istanbul. Der letzte Monat galt noch als „Schonfrist“: Kumpir essen in Ortaköy, durch Balats alte Gassen schlendern, die moderne Şakirin Camii in Üsküdar begucken, das altehrwürdige Bahnhofsgebäude in Kadıköy besichtigen – eben all die Dinge abklappern, die bisher nicht besichtigt wurden und zudem viel Zeit zu Hause verbringen oder in Lokantas, Cafés – und das mit Freunden. Den einen Abend zu Hause bleiben und die darauffolgende Nacht (beinahe) zum Tag machen. Eben ein ganzer letzter Monat, um das volle Leben in Istanbul zu genießen. 


Aber irgendwann neigt sich das Erkunden und das heimelige Dasein zwangsläufig gen Ende und die Wörter „zum letzten Mal“ werden allgegenwärtig: Zum letzten Mal in der Lieblingsbar ein/ zwei/ drei kalte Bomonti trinken, zum letzten Mal bei meinem Mini-Supermarkt um die Ecke ekmek, peynir und domates kaufen, zum letzten Mal rakı und meze Abend in meiner Wg.

Rückblickend hat mir das ganze halbe Jahr viel gebracht. Ein wenig Fachliches, ein Vielfaches an Lebenserfahrung: Sei es das Wissen über die türkische Kultur und die Sprache, die Traditionen oder die verschiedenen Religionen – vor allem hat es meinen eigenen Horizont erweitert und mir auch in vielerlei Hinsicht neue Blickwinkel auf die eigene Heimat eröffnet. 

In diesem Sinne:

// Ein großes Dankeschön an all die tollen Menschen, die ich hier kennen lernen durfte und die mich auf kurz oder lang ein Stück begleitet haben.
// My warm thanks to all those great people whom I feel blessed to get to know here and who accompanied me for a long or short time during my stay.
// Burada kaldığım süre boyunca tanıma şansına sahip olduğum ve kısa ya da uzun, bana eşlik etmiş olan herkese içten teşekkürlerimle.

Istanbul – görüşürüz inşallah! 















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bitti = fertig/ Es ist vorbei.
Bomonti = türkische Biersorte
ekmek, peynir, domates, rakı, meze =
Brot, Käse, Tomate, Anisbranntwein, kleine Vorspeisen
görüşürüz inşallah = hoffentlich auf Wiedersehen!

Freitag, 27. Juni 2014

Semesterende: Keyfine bak!

Alle Prüfungen sind geschrieben, die ersten Erasmus-Studenten reisen ab in ihr Heimatland und tägliche Verpflichtungen gehören längst nicht mehr zur Tagesordnung. Uni bitti*, Erasmus bitti – was nicht unmittelbar Istanbul bitti heißen muss. Die letzten Wochen dürfen genutzt werden – und das werden sie auch; zunächst geht`s raus aus der Stadt. Reisen – einmal an das andere Ende der Türkei und wieder zurück.


Bei unserem ersten Reiseziel kann man vielleicht von einem der „Must-Haves“ eines jeden Erasmusaufenthaltes sprechen: Kappadokya. Höhlenarchitektur, unterirdische Städte und sehr viel Grün, das erwartet uns hier. Mit dem Flugzeug geht`s am Abend zunächst nach Kayseri – wohlbemerkt die zweittraditionellste Stadt der Türkei. Um keine Zeit zu verlieren, wollen wir aber noch am selben Abend weiter ins Herz Kappadokiens. Nachdem wegen uns ein andauernder Streit zwischen Bus- und Taxifahrern entfacht (auf Türkisch Streit anzetteln können wir schon), erreichen wir letztlich erst um 1 Uhr Göreme. Schnell eingecheckt in einem der Cave Hotels landen wir ausgehungert im noch einzigen offenen Pub namens Fat Boys, umzingelt von lauter Backpackern. Es gibt Alkohol und englischsprachiges Personal – und schon fühlt sich die Türkei gar nicht mehr wie die Türkei an. Schön ist`s hier trotzdem.

Die folgenden Tage verbringen wir mit Höhlenkirchen bestaunen, durch die Natur spazieren, mit dem Mietwagen über`s Land fahren, essen und Bier trinken, den Sonnenuntergang anschauen und einem Flug mit dem Heißluftballon bei Sonnenaufgang über Göreme und dem Love Valley, der „Viagra City“, wie es die Einheimischen auch nennen.



Nach Kappadokya wartet auf uns der abenteuerliche Teil. Es geht in den Süden, nahe der syrischen Grenze. Hier wird neben türkisch auch arabisch muttersprachlich gesprochen. Erste Station ist Antakya – eine Stadt, in der nicht nur Muslime, sondern auch Christen, Juden und Alewiten zusammen leben.

Nachdem wir einen Tag in Bussen und Busbahnhöfen verbracht haben, erreichen wir am späten Abend unser Ziel; hoffen wir zumindest. Das Antakya auf unserer Karte sieht nämlich zunächst nicht so aus, wie das Antakya vor unseren Augen. Die erste Nacht verbringen wir ungewollt in einem „Bordell-Hotel“ – dass der Reiseführer-Tipp gleichzeitig auch ein Puff ist, war wohl zum Zeitpunkt des Drucks noch nicht der Fall. Am nächsten Morgen wird umgezogen – zu den Katholiken: Angesprochen auf der Straße, landen wir mit ein wenig Skepsis mitten in einem wunderschönen Hinterhof, bei einer Nonne, die vor 40 Jahren in die Türkei kam – und geblieben ist. Die restliche Zeit wird Gutes gegessen wie kebab karaz, tereyağlı humus und kekik salatası; es geht ans Meer, an einen mehr oder minder naturbelassenen Wasserfall  in Harbiye und nach Vakıflı – eines der letzten armenischen Dörfer.

Letzte Station ist Gaziantep – übersetzt „der Glaubenskämpfer der Guten Quelle“. Hier werden wir von  kurdischen Straßentänzen begrüßt, lauschen dem Klirren und Werkeln der Kupferschmiede auf dem Bakırcılar Çarşısı, laufen durch den 100 Yıl Atatürk Kültür Parkı, der sich über mehrere Kilometer erstreckt – und das alles bei gefühlten 40 Grad im Schatten. Schön zu wissen, dass uns in Istanbul Regen erwarten wird: Es geht heimwärts, und das mit vielen Eindrücken und neuen interessanten Bekanntschaften im Gepäck.



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Keyfine bak! = Enjoy yourself! / Hab Spaß!
bitti = vorbei/ aus
kebab karaz = Cherry Kebab // tereyağlı humus = Humus mit Butter //
kekik salatası = „Rosmarinsalat“


Info zum Reisen in der Türkei:
Busfahren und Inlandsflüge sind im Vergleich zu Deutschland unschlagbar günstig in der Türkei: Flug Istanbul – Kappadokya für umgerechnet 33€ und die Busfahrt Kayserie – Antakya für etwa 17€. Zudem kann man auch planlos in den Urlaub fahren, denn spontanes Buchen verläuft – mit wenig türkischen Sprachkenntnissen und selbstbewusstem Auftreten – in der Regel weitestgehend problemlos – wenn auch nicht „unanstrengend“:

In Busbahnhöfen reißen sich die Busunternehmen nur so um einen; jeder Mitarbeiter erzählt etwas anderes und ein vermeintlich unschlagbares Angebot folgt dem nächsten. Hier sollte man sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und im Hinterkopf behalten, dass es nicht nur ausländischen Touristen so geht. Dafür erwarten einen im Bus dann auch Klimaanlage, Kekse, Çay, Wasser und mit etwas Glück eine Spielekonsole mit Filmen, Internet und Angry Birds im Repertoire.  

Donnerstag, 22. Mai 2014

Prens Adaları`ya vapor ile

Keine Autos auf den Straßen, ein schönes Villengrundstück reiht sich ans nächste, Pferdekutschen bringen einen von A nach B und mit dem Rad lässt es sich gemütlich durchs Grüne radeln – und „Grün“ darf man hier sogar wortwörtlich nehmen:

Das alles ist auch Istanbul.


Die Prinzeninseln –  eine Oase fernab der lauten Millionenstadt. Im Marmarameer gelegen und nur wenige Kilometer vom Festland entfernt reihen sich neben einigen kleineren Inseln die Kınalıada, Burgazada, Heybeliada,  Sıdıf Adası und die Büyükada aneinander.  Vom Stadtufer lässt sich die Inselgruppe zwar mit Leichtigkeit erspähen, dennoch braucht es mit der Fähre rund 50 Minuten, um die erste Insel zu erreichen. Ein ganzes Stück also, aber alleine die Fahrt ist ein Ausflug wert.

Geht es auf der Fähre im Frühjahr noch ruhig und gelassen zu, findet man sich zur Hochsaison auf einem vollbesetzten Ausflugsdampfer wieder. Mit dem andächtigen Betrachten der Wellen und füttern der Möwen bei Çay und viel Ruhe ist es dann vorbei, gerade an einem Gut-Wetter-Sonntag. Neben den vielen Touristen haben sich auch türkische Familien herausgeputzt, um auf den Inseln ein wenig Urlaub in ihren Alltag zu bringen.  Die Sitzplätze sind rar und so wird gesessen wo Platz ist, sodass man sich letztlich auf dem Boden des Fährendecks wiederfindet, umringt von Menschen, die Süßkram schnabulieren, singen und kichern, Selfies machen oder aber sich vom Bord-Seller unfassbar unnötige Dinge andrehen lassen. High-Tech-Gemüseschäler, Mini-Obstsaftpressen oder aber einen Gehstock, der auch als Skistock dienen kann – alles findet hier seinen Besitzer. Und dazwischen balanciert immer wieder ein Çay- oder Simitverkäufer durch die Reihen – letzterer nicht selten mit einem ein Meter hohen Simitberg auf dem Tablett. Das alles und man selbst mittendrin im rauschenden Treiben – herrlich. Ein bisschen wie Klassenfahrt.


Auf den Inseln angekommen, erwartet einen so einiges, was sich auf dem Festland nicht so einfach finden lässt. Gerade außerhalb der Hochsaison sind das zwei Dinge, die den besonderen Reiz ausmachen: die Ruhe und der viele Platz. Schöne Holzhäuser säumen hier die langen Straßenzüge, Wald und Wiesenfläche gibt es zur Genüge, außerdem Fischer, die gemächlich an ihren Booten arbeiten, Netze flicken und dabei Çay trinken und natürlich die vielen Pferdekutschen, die lautes Autohupen durch Pferdegetrappel ersetzen. Außerdem kann man sich Fahrräder ausleihen, die Büyükada in 1 ½ Stunden umrunden und sich dabei den Fahrtwind ins Gesicht pusten lassen – ein ganz besonderes Highlight nach langer Abstinenz. Für alle, die nicht im Bilde sind: In Istanbul ist es, von Kadıköy und einigen Hartgesottenen mal abgesehen, schier unmöglich, mit dem Rad im Straßenverkehr zu überleben. Und dann gibt es natürlich noch das Essen: Überall wird Balık oder Köfte Ekmek angeboten und wer selbst ein Barbecue machen möchte, für den steht zum Grillen der Mangal bereit. Die Prens Adaları bieten ein bisschen Urlaubsstimmung für alle Stadtmüden – auch wenn zur Hochsaison von Ruhe kaum die Rede sein kann; Istanbul City lässt man eben nur halb auf dem Festland zurück.




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vapor= Dampfer
simit = ringförmiges Hefeteiggebäck mit Sesam-Körnern
mangal = Kohlenbecken, Grill
balık-/ köfte ekmek = Fisch-/ Köftebrötchen