Donnerstag, 27. Februar 2014

Studieren an der Kültür Universitesi


Ein erster (Kurs)Einblick

Die Uni hat begonnen. Jetzt wird`s ernst. So langsam zumindest. Aber - Yavaş, yavaş - immer mit der Ruhe. Nur weil das Semester angefangen hat, muss das ja nicht heißen, dass gleich alles losgeht. Hier fangen Kurse zumeist mit folgenden Worten an: „Merhaba arkadaşlar… das ist also mein Kurs. Güzel, güzel… dann sehen wir uns alle nächste Woche zum Unterricht! Bis dahin. Görüsürüz.“*. Wer mit dieser Lässigkeit nicht klar kommt und schon panisch wird, sobald die Kursregistrierung nicht gleich glatt läuft, der läuft auch Gefahr, einen baldigen Nervenzusammenbruch zu erleiden. Denn diese Entspanntheit ist gefühltes Gesetz – daran sollte man sich lieber gewöhnen. Das entspannt.














Meine anfänglich in Aussicht stehenden Kursoptionen haben sich leider ein wenig minimiert. Der Keramik- und der Zeichenkurs sind raus – letztlich wohl aus dem Grund, weil beide Dozenten den Kurs nicht auf Englisch anbieten wollen. Etwas schade, aber durch mein Projekt hier fehlen mir eh nur noch wenige ECTS um die 30 benötigten Credits auf meinem Learning Agreement vorweisen zu können – und die Punktzahl ist eh schneller erreicht, als gedacht. Neben diesem Blog belege ich einen externen Türkischkurs im Dil Merkezi in Karaköy, der vier Tage die Woche stattfindet und mich bis zum Wochenende hin mit gefühlt 1000 neuen Vokabeln ausstattet, die gelernt werden wollen. Außerdem belege ich den Kurs „Arts and Culture in Istanbul“ und den Fotografiekurs „Experimental Art Workshop IV“. Letzterer hat bereits zweimal stattgefunden und gestern hatten wir sogar die Ehre im privatem Studio unseres Dozenten praktizieren zu dürfen.

Stüdyoda müzik çalıyor – hadi başlayalım!

Zunächst: Für ein gutes Shooting im Studio braucht man die richtige akustische Untermalung um eine entspannte Atmosphäre zu erzeugen. Das sind die ersten lehrreichen Worte, mit denen unser Dozent seinen Unterricht in seinem privaten Studio in Mecidiyeköy beginnt. Wohlbemerkt auf Türkisch, aber dank seiner ausdrucksstarken Gestik und der Übersetzerin können wir allem folgen. Also – was beim Filmdreh das Catering ist, ist im Studio die Musik. Deswegen solltet ihr euch vielleicht ab diesen Zeilen eure Lieblingsmusik anmachen (kleine Anregung: Auf dem Studiotisch habe ich unter anderem Rihanna gesehen, aber auch klassische Streichermusik dürfte je nach Lichtsetzung passen). Musik läuft? Noch ein Schluck Nescafé, dann geht es los.


Während des Shootings ist die Stimmung ausgelassen. Es wird geknipst, rumgealbert, zugeschaut, Wartezeit überbrückt und zugehört. Unser Dozent erzählt viel Wissenswertes über die eingesetzte Technik, die Idee hinter dem Bild und dem Entstehungsprozess in der beruflichen Praxis. Er selbst ist Fotograf für die türkische Elle und Hürriyet  und produziert in diesem Studio überwiegend Fotos mit Models für den Bereich Fashion. Das Studio ist zwar klein, aber bestens ausgestattet – mit Lichttechnik made in Germany. Bei professionellen Shootings befinden sich zumeist nur fünf Personen im Raum, heute sind wir an die 20. Türkische und Erasmus-Studenten treffen hier aufeinander und auch wenn die Sprache zu so manchem Missverständnis führt, haben alle viel Spaß und lernen viel voneinander.


Für kommende Woche ist wieder ein Shooting angesetzt. Diese Mal mit einem professionellen Model. Das Thema: Nude, fashion, underwear – und das in der Türkei; in dem Land, in dem traditionell und religiös bedingt noch so manche Frau Kopftuch oder Burka trägt.


***
yavaş, yavaş = immer mit der Ruhe
merhaba = Hallo
arkadaşlar = Freunde
güzel = schön
görüşürüz = Wir sehen uns!

Ein PS
Hier seht ihr noch einmal die möglichen Kurse des Departments Art and Design,
die im SS14 für ERASMUS Studenten angeboten werden:










Und dabei sollte im Hinterkopf bleiben, dass wir eine wirklich tolle ERASMUS Koordinatorin haben, die immer versucht, uns alle Kurse möglich zu machen und uns dazu ermutigt, auch Kurse aus anderen Departments der Kültür zu besuchen. 

Dienstag, 18. Februar 2014

İstanbul`dan hikayeler /// Geschichten aus İstanbul

Die Regenbogentreppe

Grau. Die dominierende Farbe İstanbuls. Zwischen all den schillernden Schaufenstern, blinkenden Leuchtreklamen und bunten Marktständen ist sie nicht weg zu denken. İstanbul mag Außenstehenden zunächst bunt-schillernd erscheinen; für diejenigen, die hier leben und sich fernab der touristischen Plätze bewegen, ist die unbunte Farbe jedoch immer präsent.











In dieser Woche erfahre ich von der Regenbogentreppe und der damit einhergehenden Geschichte. Eine schöne Geschichte, die viel über die Menschen dieser Stadt erzählt, zugleich aber auch einen Einblick in die gegenwärtig vorherrschenden politischen Diskrepanzen gewährt.

Hüseyin Çetinel, ein 64-jähriger Einwohner İstanbuls, hat es satt. Überall Grau: Häuser,  Treppen, ganze Straßenzüge werden von der Ton-in-Ton Farbe durchzogen. Kurzerhand kauft er für 1500TL (rund 500€) ein paar Farbeimer und streicht die betonfarbene Treppe in seiner Nachbarschaft an – in allen Farben des Regenbogens. Die bunten Stufen, die von Cihangir runter zum Bosporus führen, erfreuen die Anwohner und stoßen auf viel positives Feedback. 




Aber nur drei Tage später ist Schluss mit dem Farbenmeer. Das Stadtbild auf eigene Faust zu verändern, sieht die Politik nicht gerne – besonders jetzt nicht, Ende August letzten Jahres, also kurz nach den Gezi-Protesten: Womöglich stecken Aktivisten der Schwulen-und Lesbenbewegung dahinter? Darum lässt die Stadtverwaltung die Stufen kurzerhand umstreichen.
Und wieder – grau, grau, grau.  


Die Nachricht verbreitet sich rasend schnell und stößt auf viel Widerstand. Im Social Network formatierte sich innerhalb von nur wenigen Stunden eine große Gruppe von Menschen, die sich am Nachmittag des Folgetages versammeln will, um die Stufen erneut zu bemalen – und mit ihr noch viele andere Treppen.  

Facebook Veranstaltungsgruppe:
https://www.facebook.com/events/557050034342973/
Doch noch bevor die Menschen sich zusammenfinden, reagiert der gegenwärtige Bezirksbürgermeister. Das ganze sei etwas vorschnell gewesen – und dem Bürgerwillen wolle man nun doch folgen: Eine Erkenntnis, die den Kommunalpolitiker erst ereilt, nachdem er erfährt,  dass es sich in diesem Fall nicht um eine Person aus den Reihen der Gezi-Bewegung handelt. Also veranlasst er über Nacht, dass die Treppenstufen wieder in bunten Farben erstrahlen sollen. Außerdem  ermutigt er die Bevölkerung, auch andere Treppen in der Umgebung bunt anzustreichen.




















Ein unerwarteter Kurswechsel.
Sein abschließender Kommentar zum erstmaligen Umstreichen? Herr Çetinel hätte einen Antrag beim Bezirk stellen sollen – ein methodischer Fehler seinerseits. Eine Erklärung, die stutzig macht – aber das Endergebnis, auf welchem Wege auch immer es dazu gekommen ist, kann sich sehen lassen: Viele bunte Treppen schmücken heute İstanbul. Sie symbolisieren mit besonderer Strahlkraft, wie die Politik von den Einwohnern wahrgenommen wird: Zunehmend autoritär.


  


Sonntag, 9. Februar 2014

Türkisch Wohnen für Anfänger - 1.

Die Erste.



Meine erste Wohnung, besser gesagt mein erster „Unterschlupf“ bei einer Freundin, befindet sich in Tarlabaşı - in der Ömer Hayyam Cadesi. Zwei Schlafzimmer, ein großes Wohnzimmer, Küche, Diele und Bad werden hier derzeit von zwei deutschen Erasmus-Studenten bewohnt. Die ursprünglichen Mieter, ein Musikerpärchen, befinden sich über die Winterzeit auf Tournee. In den vier Wänden findet sich dementsprechend auch so mancher Musikgegenstand und allerlei Künstlerisches wieder.