Dienstag, 18. Februar 2014

İstanbul`dan hikayeler /// Geschichten aus İstanbul

Die Regenbogentreppe

Grau. Die dominierende Farbe İstanbuls. Zwischen all den schillernden Schaufenstern, blinkenden Leuchtreklamen und bunten Marktständen ist sie nicht weg zu denken. İstanbul mag Außenstehenden zunächst bunt-schillernd erscheinen; für diejenigen, die hier leben und sich fernab der touristischen Plätze bewegen, ist die unbunte Farbe jedoch immer präsent.











In dieser Woche erfahre ich von der Regenbogentreppe und der damit einhergehenden Geschichte. Eine schöne Geschichte, die viel über die Menschen dieser Stadt erzählt, zugleich aber auch einen Einblick in die gegenwärtig vorherrschenden politischen Diskrepanzen gewährt.

Hüseyin Çetinel, ein 64-jähriger Einwohner İstanbuls, hat es satt. Überall Grau: Häuser,  Treppen, ganze Straßenzüge werden von der Ton-in-Ton Farbe durchzogen. Kurzerhand kauft er für 1500TL (rund 500€) ein paar Farbeimer und streicht die betonfarbene Treppe in seiner Nachbarschaft an – in allen Farben des Regenbogens. Die bunten Stufen, die von Cihangir runter zum Bosporus führen, erfreuen die Anwohner und stoßen auf viel positives Feedback. 




Aber nur drei Tage später ist Schluss mit dem Farbenmeer. Das Stadtbild auf eigene Faust zu verändern, sieht die Politik nicht gerne – besonders jetzt nicht, Ende August letzten Jahres, also kurz nach den Gezi-Protesten: Womöglich stecken Aktivisten der Schwulen-und Lesbenbewegung dahinter? Darum lässt die Stadtverwaltung die Stufen kurzerhand umstreichen.
Und wieder – grau, grau, grau.  


Die Nachricht verbreitet sich rasend schnell und stößt auf viel Widerstand. Im Social Network formatierte sich innerhalb von nur wenigen Stunden eine große Gruppe von Menschen, die sich am Nachmittag des Folgetages versammeln will, um die Stufen erneut zu bemalen – und mit ihr noch viele andere Treppen.  

Facebook Veranstaltungsgruppe:
https://www.facebook.com/events/557050034342973/
Doch noch bevor die Menschen sich zusammenfinden, reagiert der gegenwärtige Bezirksbürgermeister. Das ganze sei etwas vorschnell gewesen – und dem Bürgerwillen wolle man nun doch folgen: Eine Erkenntnis, die den Kommunalpolitiker erst ereilt, nachdem er erfährt,  dass es sich in diesem Fall nicht um eine Person aus den Reihen der Gezi-Bewegung handelt. Also veranlasst er über Nacht, dass die Treppenstufen wieder in bunten Farben erstrahlen sollen. Außerdem  ermutigt er die Bevölkerung, auch andere Treppen in der Umgebung bunt anzustreichen.




















Ein unerwarteter Kurswechsel.
Sein abschließender Kommentar zum erstmaligen Umstreichen? Herr Çetinel hätte einen Antrag beim Bezirk stellen sollen – ein methodischer Fehler seinerseits. Eine Erklärung, die stutzig macht – aber das Endergebnis, auf welchem Wege auch immer es dazu gekommen ist, kann sich sehen lassen: Viele bunte Treppen schmücken heute İstanbul. Sie symbolisieren mit besonderer Strahlkraft, wie die Politik von den Einwohnern wahrgenommen wird: Zunehmend autoritär.


  


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