Ankommen. Und das ohne Mama und Papa, ohne Freunde, ohne
große Stadt- geschweige denn Sprachkenntnisse. Wenn das mal nicht nach
„Abenteuer“ klingt. Ein bisschen fühlt es sich auch so an, wenn man schwer
bepackt mit all den wohlüberlegt ausgewählten Habseligkeiten (seinem ganzen Hab und Gut) zu seiner neuen Bleibe durch die İstiklal Caddesi läuft.
Meinen ersten Abend
verbringe ich in meiner Übergangs-Wohnung, einer Zweier-WG von einer Freundin,
deren Erasmus Aufenthalt in einem Monat zu Ende gehen wird. Momentan ist die
Freundin auf Reisen und so verbringe ich den Abend mit dem zweiten mir bis
dahin unbekannten Mitbewohner und seinen Leuten. Gesprochen wird natürlich englisch (wie eigentlich die ganze Woche über) und es gibt Reis, Gemüse und hamsi
– kleine Fische, frisch vom Fischmarkt, mit Augen natürlich. Noch zwei Gläser
Rakı, dann geht es ins Bett. Gleich am nächsten Morgen fahre ich zur Kültür
Universität – zum ersten Mal.
It`s all about O R I E N T A T I O N
Die erste Woche an der Kültür ist der Orientation Week gewidmet
und inhaltlich betrachtet wird hier so einiges geboten: Die „Must Haves“ der
türkischen Sehenswürdigkeiten werden besichtigt, viele Unternehmungen à la
„Club-Tour und Dinner Abend“ werden organisiert, es gibt einen Buddy Workshop
und die Kurse werden gewählt. Für Multimedia Studenten gibt es dabei einen
Vorteil: Wir haben keinen festen Stundenplan und dürfen uns aus dem Pool der
Fakultät „Art and Design“ eine Menge aussuchen – mit einem großen ABER: Nicht alles,
was dabei ist, kann besucht werden. Der unterrichtende Dozent ist letztlich
derjenige, der die letzte Entscheidung fällt (mangelnde Englischkenntnisse
können hier somit schnell das Aus für die eigene Teilnahme bedeuten). Dennoch
steht bisher so einiges schönes auf meinem Zettel und lässt hoffen…İstanbul – Von A nach B
Laufen, laufen, laufen und das hoch und runter, je nach
Strecke ergänzt durch Bus, Tram und Fähre – und dem damit einhergehenden
Traffic. Etwa so darf man sich die Wege in İstanbul vorstellen. Besonders in
der ersten Woche bekommt man die Strecken zu spüren – zeitlich, wie auch in den
eigenen Waden. Für die Orientation Week zur Uni und wieder zurück, die
İstanbulkart für Studis besorgen, WG Castings, Passfotos machen – und das alles gemeistert in Englischer
Sprache und im Zweifelsfall mittels Basis-Türkischem Vokabular. Es ist viel, aber es ist auch gut. Durch die
erste Woche lernt man so einiges kennen und man stellt auch schnell fest – mit
Fragen kommt man hier immer weiter; Im Zweifelsfall wird der angesprochene
Passant zum Kurzzeit-Fremdenführer und bringt einen direkt zum gewünschten
Ziel.
Pragmatisch Aufgeschlossen.
Ein Loch im Fenster? Einfach mit Klebeband versiegeln oder mit Kleidung stopfen. Kein
Wasser im Haus? Ist eben so. Und wer nicht schnell genug ist, um auf den Bus
„aufzuspringen“, ist selbst Schuld. Pragmatisch. So lebt es sich hier. Ein
bisschen hat das ganze etwas von „Leben und leben lassen“ und dennoch trifft
man hier auf so freundliche und hilfsbereite Menschen, mit einer Offenheit, wie
man es in Deutschland nicht gewohnt ist. Da hätten wir zum Beispiel den netten
Taxifahrer, der mir erst ein Taxi und nach dankbarer Ablehnung meinerseits
einen Platz zum Warten in seinem Wagen anbietet, damit ich nicht frieren muss
bei den für İstanbuler gefühlt arktischen Temperaturen von 10°C. Oder aber der Hausmeister
meiner Übergangsbleibe, der mich allmorgendlich auf türkisch zutextet – und das voller Hingabe und ohne Halt. Und
natürlich noch die drei Menschen, die mir just am ersten Tag des Kennenlernens
sofort ihre Dusche anbieten, nachdem ich erzählt habe, dass wir in unseren vier
Wänden derzeit nur kaltes Wasser haben.
WG Casting
Und dann gibt es natürlich noch die WG Castings, die man
sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Viele tolle Menschen lernt man so
kennen und merkt schnell, dass in İstanbul ein multikulturelles Miteinander
Programm ist. Drei Wohngemeinschaften habe ich mir vor Ort angeschaut: Ein
schwuler Kunst Kurator, der schon in New York, London und Rom gelebt hat,
zwei junge türkische Zwillingsschwestern
mit mangelnden Englischkenntnissen und typisch türkischer Einrichtung und ein
türkischer Lektor in einer schönen, leicht „fancy“ Wohnung mit hohen Decken,
der sehr „untürkisch“ ist, wie er selbst von sich sagt und am liebsten Indie
Musik hört. Letzterer ist auch mein neuer Mitbewohner geworden, durch den ich
so manches schon über die türkische Mentalität erfahren durfte.
The Art Of „Typisch
Türkisch“ – Ein kleiner Ausschnitt:
Angekommen? Bin ich noch nicht ganz, aber wenigstens ein bisschen. Ich habe erste Freunde gefunden, mache viele schöne Dinge und habe noch dazu ein schönes Zimmer in einer schönen Wohnung mit einem tollen Mitbewohner, von dem ich jeden Tag ein bisschen mehr über die Türkei und die Lebensart hier erfahren darf. Nächste Woche steht für uns noch ein WG Casting an. Ein Zimmer ist noch zu vergeben. Bis dahin haben wir den Raum als Wohnzimmer umfunktioniert und schauen uns bei Whiskey und Nüssen Filme wie The Philadelphia Story an. Das klingt schon einmal nach ein bisschen Alltag, so wie er auch in Deutschland sein könnte.
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